Beispiel eines zeitgemäßen Umbaus: Denkmalpflege zwischen Rekonstruktion und Moderne
Historische Räume sind Erinnerungs- und Gedächtnisräume. In ihnen verdichtet sich nicht nur die architektonische Zeit in unterschiedlichen Formen und Konstruktionen, sondern auch Ansprüche und Ideen der Gesellschaften und Institutionen der jeweiligen Epoche. Der Kunsthistoriker Martin Warnke schildert diesen Hintergrund in seinem Buch Bau und Überbau (Frankfurt am Main: Suhrkamp 1984) anhand mittelalterlicher Bauten sehr genau. Dichter wird diese Bedeutung von Architektur natürlich immer bei wichtigen öffentlichen Gebäuden. Die Annäherung an historische Gebäude ist daher nicht allein eine formale Frage, sondern setzt auch eine intensive Beschäftigung mit Geschichte und ihren jeweiligen gesellschaftlichen Vorstellungen voraus. Das wird umso bedeutender für den Planer, wenn es nicht nur um die klassische Restaurierung, sondern um Ergänzung und Revitalisierung geht. Die Hauptarbeit ist zunächst immer eine intellektuelle: das Wesentliche eines Gebäudes zu erkennen – baulich wie auch überbaulich. So entsprechen die vorgefundenen Bauformen eher Codes, die die Informationen der jeweiligen Zeit bergen und die man herauslösen und entdecken muss. Dieser Prozess verläuft natürlich beim Entwerfen im Bestand in umgekehrter Reihenfolge. Hier löst man die Inhalte nicht heraus, sondern implantiert sie. Ein historisches Gebäude bietet immer mehr, als man unmittelbar sieht.
Um dies zu verdeutlichen, ein Beispiel aus einem anderen Bereich: Bettina Frantzen, eine der Verantwortlichen der Skulptur Projekte Münster, analysiert in einer Untersuchung über virtuelle Gärten beispielhaft den Ort im englischen Drama und differenziert dort mehrere Typen von Orten: den sichtbaren Ort – den Schauplatz der Handlung, und Erinnerungsorte oder Phantasieorte, die als nicht sichtbare Orte das Geschehen am sichtbaren Ort ergänzen. Ein Drama beinhaltet insofern reale und fiktionale Orte.
Ebenso ist Architektur ein Raum der subtilen Referenz, der entfernte Orte und Ereignisse in sich vereint. Mit Hilfe allgemein verständlicher codierter Formen und Materialien können wir diese Orte und Ereignisse im Gebäude lebendig werden lassen. Entwerfen bedeutet für uns auch Gedächtnis- und Erkenntnisprozesse in Gang setzen.
Nun zum Projekt Kloster Wedinghausen, einem Ensemble, bei dem wir seit 2002 drei unterschiedliche Teilbereiche neu gestaltet haben: Begonnen wurde die Revitalisierung des Klosters mit dem Umbau des Westflügels zu einem Stadt- und Landständearchiv und der Gestaltung einer Dauerausstellung auf der Kreuzgangebene. Abgeschlossen wird sie dieses Jahr mit den letzten Maßnahmen der Neugestaltung des Klosterhofs.
Wie können wir uns die Verbindung von Bau und Überbau, Gegenwart und Erinnerung an die Vergangenheit konkret vorstellen? Das möchte ich zuerst am Beispiel unserer Ausstellungsarchitektur, die wir innerhalb des Klosters auf der Kreuzgangebene eingerichtet haben, veranschaulichen.
Das alles überragende Ereignis in der 800-jährigen Geschichte des Klosters war die Unterbringung und somit die Rettung des Kölner Domschatzes und des Schreins der Heiligen Drei Könige in der Zeit der napoleonischen Kriege. Darüber gibt es Berichte, konkrete Objekte aus dieser Zeit waren für die Ausstellung allerdings nicht zugänglich. Das Ereignis an sich wird jedoch als subtiler Hintergrund genutzt und soll den Besucher durch die Ausstellung begleiten.
Die Frage, die am Anfang dieser Ausstellung stand, war: Wie soll man etwas zeigen, das es eigentlich nicht mehr gibt? In den vier Räumen sind vier Ausstellungskörper zu sehen: eigentlich Gewächshäuser, banale Alltagsprodukte aus dem Baumarkt. Ihre Präsentationsform – die Einbindung in den neuen Kontext der Ausstellung und die Sockelstellung – führt jedoch weg vom realen Produkt. Durch die gezielte räumliche Überhöhnung und die umhüllende Bedruckung ähnlich den mittelalterlichen Kirchenfenstern werden sie zu Schreinen, wodurch der Zusammenhang zwischen Ausstellungsarchitektur und dem Schrein der Heiligen Drei Könige deutlich wird. Beide Bilder – Schrein und modernes Alltagsprodukt – durchdringen und relativieren sich wechselseitig. In ihnen bewegen wir uns durch die Zeit zwischen Vergangenheit und Gegenwart.
Bestand und Ergänzung
Zurück zur Architektur: Grundsätzlich ist die Haltung unseres Büros immer vom Respekt vor dem historischen Bauwerk geprägt. Sehr handwerklich erfolgen zuerst eine vorsichtige Befreiung von Überformungen und eine Rückführung auf wesentliche Elemente des Gebäudes. Die erfolgreiche Zusammenarbeit mit denkmalpflegerischen Institutionen, Restauratoren, Fachfirmen und Fachingenieuren ist Vorraussetzung, um das Gebäude zu erhalten, und für unser Büro durch langjährige Projekterfahrung Alltag. Der baulich historische Wesenskern muss herausgearbeitet werden. Hier soll die Restaurierung und die Umgestaltung des Westflügels zu einem Stadtarchiv mit Ausstellungsflächen als Beispiel dienen.
Man darf sich nichts vormachen und in einen nostalgischen Rausch verfallen: Ein Gebäude wird im Laufe seiner Umgestaltung immer Historisches verlieren - nicht nur durch neue Nutzungen und neue Haustechnik. Das jüngst eingeweihte Gerhard-Richter-Fenster im Kölner Dom zeigt, dass der Dom auch lange nach seiner baulichen Fertigstellung 1864 noch kein beendetes historisches Projekt ist, sondern gerade sein permanentes „Update“ ihn umso mehr Teil der sinnlichen Gegenwart der Kölner werden lässt. Der Bestand gewinnt im ständigen Erneuerungsprozess Gegenwart bzw. Zukunft. Die Denkmalpflege muss diese Gegenwart auch ermöglichen, will sie nicht, dass ein Gebäude in der funktionalen und auch emotionalen Bedeutungslosigkeit verschwindet, die seiner historischen Dimension nicht gerecht wird.
Es geht auch nicht - von wirklich wenigen Ausnahmen abgesehen und wie populistisch oft gefordert – um die Rekonstruktion einer verlorenen Morphologie. Wenn diese an einem Ort unwiderruflich verloren ist, muss mit neuer Architektur Neues mit historischem Bewusstsein und historischen Bezügen erzählt werden. Die beschlossene Rekonstruktion des Berliner Schlosses ist ein Beispiel der kulturellen Öde in unserer Gesellschaft und ihrer mangelnden Vorstellungskraft, einen Ort neu und selbstbewusst aus der Historie zu entwickeln.
Das durch moderne Ergänzungen entstandene selbstbewusste Nebeneinander von unterschiedlichen räumlichen und zeitlichen Schichten ist eine Bereicherung, und das nicht nur im Sinn einer formalen Auseinandersetzung, sondern auch und gerade im Sinn einer inhaltlichen Diskussion. Es geht darum, durch das Neue vergessene Inhalte des Bestands freizulegen und mit Inhalten zu konfrontieren, in denen sich unsere Gegenwart spiegelt. Insofern ist das Neue niemals ungebunden, sondern dient dazu, das Historische zu interpretieren und zu erklären. Es ist jedoch ambivalent: das Neue muss aus der Begrenztheit des Bestands heraustreten, will es Teil der Gegenwart sein, darf aber auch nicht frei und losgelöst agieren, sonst ist sein Autismus für jeden spürbar.
Ort und Anspruch
Ein solch bedeutendes und auch großes Projekt wie Kloster Wedinghausen mit einem von vornherein klar formulierten Qualitätsanspruch setzt einen Konsens aller politisch Handelnden und die gemeinsame Überzeugung voraus, das historische Erbe zeitgemäß und offensiv nach innen für die Bürger und zur Außendarstellung weit über Arnsberg hinaus zu nutzen. Die heutige Veranstaltung ist hierfür Beleg.
Alt Arnsberg ist von einer fast 1000-jährigen Geschichte geprägt, begünstigt durch ihre prominente Lage in einer Ruhrschleife. Die Stadt war immer ein wichtiger Standort für Staat und Kirche und hat sich städtebaulich im räumlichen Spannungsfeld zwischen Schloss und Kloster entwickelt.
Kloster Wedinghausen wurde 1170 als Prämonstratenserkloster gegründet. Seine Blütezeit erlebte das Kloster um 1700 im Barock, während der es die wichtigsten Erweiterungen erfuhr. Die Bedeutung des Klosters war nie allein regional. Eine prominent bestückte Klosterbibliothek mit dem Gero-Codex, der heute Unesco Weltdokumentenerbe ist, belegt dies eindrucksvoll. Leider wurde der größte Teil des Klosterbesitzes, und damit auch der Gero-Codex, nach der Säkularisation des Klosters 1803 nach Darmstadt überführt.
Die Stadt Arnsberg war sich von Anfang an über die geschichtliche und kulturelle Bedeutung dieses Ortes einig. Der vergessene Ort sollte wieder ins Gedächtnis gerückt und in das kulturelle Leben einbezogen werden. Vor diesem Hintergrund war allen Beteiligten klar, dass nur ein besonderes Projekt und eine Lösung mit maximalem Anspruch für diesen Ort richtig ist und dass ein überregional wahrgenommenes Projekt weiteres Potential erschließt. Publikationen über das Projekt in der nationalen und internationalen Fachpresse belegen den Anspruch.
Kloster Wedinghausen
Das Kloster Wedinghausen und sein Klosterhof, wie es unser Büro vorgefunden hat, war ein vergessener, teilweise verwahrloster Raum. Der Klosterhof als introvertierter Ort war zerstört und zum asphaltieren Parkplatz verkommen. Nach Auflösung des Klosters 1803 waren große Teile der alten Klosteranlage abgebrochen worden. Direkt nach der Säkularisation wurde der nördliche Kreuzgang abgebrochen, 1886 folgte der Südflügel, und der Westflügel wurde zeitgleich an die Stadt verkauft. Ende des 19. Jh. waren das Kloster und seine historischen Räume als solche nicht mehr erkennbar. Selbst die Arnsberger kannten den Ort nicht mehr als Kloster.
Die Auseinandersetzung mit dem Ort machte uns relativ schnell klar, dass der Abbruch jedoch nicht nur Verlust, sondern auch Aufbruch in die Moderne bedeutete. Die Öffnung des Klosterhofs durch den Abbruch des Südflügels war Ausdruck eines gesellschaftlichen Prozesses und einer räumlichen Aufklärung, die auch für uns eine neue Qualität in den Ort brachte: Licht, Tiefe und Orientierung zum nahen Naturraum.
Der historische Hof-Raum war ungerichtet; er betonte über seine Symmetrie eine Gleichwertigkeit der Seiten. Der vorgefundene Raum des 19. Jh. war dagegen linear ausgerichtet.
Die Neugestaltung verbindet die historischen Widersprüche von Abgrenzung und Öffnung. Die unterschiedlichen Raumrichtungen wurden zusammengeführt. Es entspricht der Arbeitsweise unseres Büros, Gegensätzliches nicht gegeneinander auszuschließen, sondern vielmehr als Bereicherung zu betrachten und im Dialog zusammenzubringen. „Sowohl als auch“ ist für uns immer besser als „entweder, oder“. Mit der Neugestaltung von Kloster Wedinghausen wollten wir die räumlichen Brüche des Klosters ablesbar machen und gleichzeitig einen gemeinsamen architektonischen Raum für seine sakralen und profanen Funktionen wiederherstellen.
Die Neugestaltung des Klosterhofs besteht aus drei Teilen: dem Klosterhof, dem Lichthaus, einer Art Filterraum, und einem Garten, der eigentlich Teil des Gebäudes ist.
Das Lichthaus
Das Lichthaus steht an der Stelle des abgebrochenen Südflügels und markiert die Grenze des historischen Klosterhofs. Seine Form bezieht sich auf die umgebenden Satteldachhäuser. Wir wollten keinen formalen Fremdkörper.
Der Besucher erlebt durch die Lage des Baukörpers eine Grenze und gleichzeitig durch die Glasfassade hindurch eine lineare Raumfolge, die von der Innenwelt des Klosters in die Außenwelt der Landschaft führt und Licht wie Raumtiefe erlebbar macht. Kloster Wedinghausen ist für uns eine verräumlichte Metapher für den Aufbruch von Geschichte in das Neue.
Durch das Lichthaus entsteht ein ambivalentes Raumgefühl für den Klosterhof:
• Er ist als begrenzter Innenraum behandelt.
• Gleichzeitig ist der Klosterhof ohne die Raumtiefe und den präsenten Außenraum nicht denkbar.
Um den Übergang in den Außenraum zu verdeutlichen, findet eine Auflösung des Raumkörpers auf seiner Rückseite statt – eine Metamorphose des Raumes von der Architektur zur Natur.
Gartenzimmer
Wir haben diesen Teil „Gartenzimmer“ genannt. Das Gartenzimmer verweißt auf den ehemaligen Klostergarten und den nahen Wald. Sein grüner und lebendiger Raum stellt einen Kontrast zur Klarheit und Strenge des introvertierten Klosterhofs dar. Mit fortschreitendem Wachstum der hängenden Bepflanzung auch über das Lichthaus hinweg verschwindet die Grenze zwischen Architektur und Garten, und ein mehrdeutiger Raum entsteht.
Klosterhof
Der Klosterhof ist ein Ort der Ruhe. Der Raum wurde von uns daher purifiziert und eindeutig symmetrisch ausgerichtet. Die vorhandenen willkürlichen, nicht axialen Zugänge zu den Flügeln des Hofs konnten nicht verändert werden. Sie wurden aber durch neue Zugangsrampen symmetrisch eingebunden.
Symmetrie hat immer eine suggestive Wirkung, die bei der Suche nach räumlichem Verständnis hilft. Der Körper findet seine Entsprechung im symmetrischen Raum. Symmetrie war hier die Vorraussetzung für die Beruhigung des Raumes.
Der strenge Rhythmus des Bodenbelags schafft Bewusstsein für eine angemessene Bewegung im Raum. Die Bewegung wird durch die Fuge verlangsamt, und man wird dadurch aufgefordert, menschliches und architektonisches Maß im Gleichklang zu erleben.
Diaphaner Raum
Das Licht hat bei der baulichen Neugestaltung des Klosterhofs eine wesentliche Rolle gespielt. Wir müssen uns daher zuerst mit der christlichen Symbolik von Licht beschäftigen. Licht wird im Kirchenbau nicht atmosphärisch eingesetzt, sondern es repräsentiert Inhalte zur Veranschaulichung des Glaubens.
Licht ist Leben. Licht ist der Anwesenheit von Gott gleichgesetzt; Finsternis ist die Abwesenheit. Die Symbolik des Herniederscheinens des Lichts wird mit der Erfahrung der Wahrheit, einer Erleuchtung und besonderen Erkenntnis verbunden („Ich bin das Licht der Welt“). Auf der Grundlage der im Johannesevangelium geschilderten Gleichsetzung von Gott und Licht hat sich die Lichtästhetik/Lichtarchitektur der christlichen Baukunst entwickelt.
Der Titel des Projektes ist „Diaphaner Raum“. Der Begriff ist einer theoretischen Schrift des Kunsthistorikers Hans Jantzen über die gotischen Kathedralen entnommen (Die Gotik des Abendlandes, Köln, DuMont, 1962).
Die meisten Theorien erklären den gotischen Sakralraum anhand des Gewölbes (z.B. Hans Sedlmayr, Die Entstehung der Kathedrale, Zürich, 1950). Die Gotik wird zur konstruktiven Frage, die das Wunder der technischen Leistung beschreibt: Gotik ist Vertikalisierung durch das Kreuzrippengewölbe und einer damit einhergehenden Auflösung der Wand.
Die Theorie von Hans Jantzen betont zwar die Bedeutung der Auflösung der Wand, stellt aber dar, dass das Entscheidende in der Gotik das Verhältnis von aufgelöster Wand zu den dahinterliegenden Raumteilen ist. Es gibt eine Beziehung zwischen Körper und Grund. Die gotische Wand ist ohne Raumgrund nicht denkbar und erhält erst hierdurch ihre Wirkung.
Sie wird, und das ist das Entscheidende, durch eine optische Zone hinterlegt. Das gesamte Mittelschiff ist von einer Raumschale verschiedener Tiefenschichtungen umgeben. Es dominiert das Prinzip einer Zweischaligkeit. Hans Jantzen nennt dies die „diaphane Struktur der Gotik“.
Ziel ist die Herstellung eines vergeistigten Raumes, in dem das Durchscheinen und das immaterielle Leuchten der Glasfenster den Wesenskern der Architektur ausmachen. Die Wand verliert durch den lichten Raumgrund den Eindruck des materiell Festen und Abgeschlossenen. Das Prinzip von Licht, Transparenz und Tiefenschichtung inszeniert die Präsenz eines weiteren Raumes, der eigentlich am Ort nicht vorhanden ist. Gotische Architektur ist die Überleitung in ein vorstellbares spirituelles Dahinter. Realer und fiktiver Raum verschwimmen.
Was mich an der Theorie von Hans Jantzen interessiert hatte, waren die architektonischen Möglichkeiten für das Projekt durch den Zusammenhang von Tiefe und Licht, die daraus erzielte Auflösung konkreter Raumgrenzen und die scheinbare Präsenz von weiteren Räumen am konkreten Ort.
Das Licht wird durch mehrere Schichten (Gartenzimmer, Lichthaus und Fassade) geleitet, bis es in den Innenraum fällt. Das Lichthaus und seine Fassade sind ein Leuchtkörper für den Klosterhof. Die gesamte Fassade leuchtet. Das Licht und die neue Raumgrenze der Fassade schaffen einen konkreten Innenraum; die Hinterlegung und die Tiefe transzendieren diesen jedoch wieder und schafft eine mehrdeutige Raumwirkung.
Die Schichtung schafft indes nicht nur einfach hintereinanderliegende Räume. Der Baustoff Glas mit seinen Spiegelungen und seiner Bedruckung durchmischt die unterschiedlichen Ebenen und schafft durch verwirrende Überlagerungen eine zeitliche und räumliche Simultanität der Ebenen. Diese werden im Dialog zwischen Vordergrund und Hintergrund, Raum und Oberfläche vermengt. Walter Benjamin spricht in diesem Zusammenhang von einer Durchdringungs- und Überdeckungstransparenz, in der die Bedeutungen der Dinge oszillieren und ineinander übergehen. Es existieren ein und mehrere Bilder zugleich.
Licht, Raum und Kommunikation
Der Lichteinfall in den Klosterhof ist die eigentliche Sensation des Projektes und betont den spirituellen Charakter des Ortes. Lichtwirkung und Transparenz sind jedoch ohne Fassadenbild nicht denkbar.
Zeichen und Grafik verstehen wir heute als bereicherndes zeitgenössisches Medium zur Raumstrukturierung – dort, wo dieses mit architektonischen Mitteln nicht oder schwer möglich ist. Grafik kann helfen, wo Architektur keine Chance mehr hat.
Einerseits unterstreichen Schrift und Text hier die geistige Bedeutung des Ortes. Das Zitat aus Johannes 1, 1-2, „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Dasselbe war im Anfang bei Gott“, ist jedoch nicht direkt erkennbar und eher ein Geheimnis, das zur Entschlüsselung auffordern soll.
Andererseits dient das Prinzip der Fassadenbedruckung dazu, die im Laufe der Zeit getrennten historischen Flügel des Klosters durch den Rhythmus der Grafik wieder in einen Zusammenhang zu bringen. Formale architektonische Bezüge konnten durch die verschiedenen vorhandenen Öffnungen jedoch nicht aufgebaut werden – dazu haben Rechteckfenster und Rundbögen zu wenige Gemeinsamkeiten. Die neue Fassade baut durch Textverdichtung und Auflösung eine horizontale Referenz zu den umliegenden historischen Fassaden und ihren Helligkeitskontrasten zwischen Wand- und Fensterflächen auf. Die Schrift dient nicht nur zur Information, sondern ist eine Art Struktur und Reliefersatz und macht die Tiefe und Hinterlegung erst anschaulich.
Am Endes des Vortrags, der den Zusammenhang von Bau und Überbau in historischen Bauten am Beispiel von Kloster Wedinghausen herausstellen sollte, möchte ich Sie auffordern, es den Nutzern historischer Gebäude nicht zu einfach zu machen, indem wir ihnen nur Visuelles liefern und uns auf einen Raum und seine glatte, einfach konsumierbare Schönheit konzentrieren. Es geht um eine weitaus intensivere Auseinandersetzung zwischen Form und Inhalt, zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Wir müssen aus der Geschichte heraus Gegenwart gestalten und dürfen uns insofern auch baulich und inhaltlich ihren Dissonanzen und Widersprüchen nicht verweigern. Bewahren wir die Kraft historischer Bauten, ohne in Nostalgie zu verfallen, und seinen wir mutig, sie mit Gegenwart offensiv zu beleben.