Mobile Immobilien: Kleine Bauten, Temporäre Strukturen, Raumzellen
Mobile Architektur heißt in erster Linie territoriale Mobilität von Immobilien und deren Ortswechsel durch Transport. Im weiteren Sinn sind auch ortsfeste Architekturen gemeint, die über Wandelbarkeit eine flexible und vielfältige Nutzung ermöglichen. In beiden Fällen kommt Architektur in Bewegung und wird auf eine Reise geschickt, an deren Ende eine andere Situation oder ein anderer Zustand wartet.
Reisen im Allgemeinen führt zu einem konzentrierten Umgang mit den begleitenden Dingen: Sie werden kleiner und leichter. Was unterwegs zählt, ist allein der Gebrauch und sein Komfort. Reisen darf nicht beschwerlich sein. Genauso verhält es sich mit Architektur. Ist sie beweglich, verändert sich zwangsläufig ihr Maßstab und sie wird zur Mikroarchitektur. Mangelnde Größe ist für den Architekten jedoch oft wenig reizvoll. Denn mit der Größe der Projekte steigt die Bedeutung und mit der Quantität die Reputation. Was macht dennoch den Reiz von Mikroarchitekturen aus? Sicherlich ist es die Durchgängigkeit von der Planung bis hin zur Realisierung, die nur bei kleinen Projekten gegeben ist. Alle Bereiche werden bis ins Detail vom Architekten direkt geplant, kontrolliert und umgesetzt. Große Projekte hingegen sind nur im Team zu realisieren. Dadurch entziehen sich dem Planer viele Schritte und Aufgaben. Für den Anfänger ist eine Mikroarchitektur daher ein perfekter Einstieg in die Arbeitsrealität, garantiert sie ihm doch ein allumfassendes Testfeld nach der Hochschule. Die Beherrschbarkeit der scheinbar kleinen Aufgabe reduziert die Gefahr des Scheiterns. Mit der geringen Größe verdichtet sich die Komplexität und wird gleichermaßen überschaubar. Es ist der ungemeine Vorteil von Mikroarchitekturen, ein Projekt vom Entwurf bis zur Fertigstellung im Blick zu haben und verfolgen zu können. Vergleichbar mit Forschungsprojekten können sich Architekten durch kleine Bauaufgaben grundsätzliches exemplarisch für ihre weitere Arbeit erschließen. Der experimentelle Charakter dient gerade vielen jungen Büros dazu, bestimmte Themen innerhalb der internationalen Architekturdiskussion aufzugreifen und innovative Lösungen zu entwickeln. Kleinstprojekte eignen sich hierfür besonders, da ihre Größe die konzeptionelle Lesbarkeit des baulichen Überbaus fördert und spektakuläre Raumwirkungen ohne großen baulichen Aufwand entstehen können. So sind viele extreme und experimentelle Projekte in Eigeninitiative mit hohem handwerklichem und teilweise sogar finanziellem Engagement durch Berufsanfänger umgesetzt worden. Für eine Vielzahl von
jungen Architekten wie AllesWirdGut aus Wien sind sie der Ausgangspunkt einer Karriere. Ihr experimentelles Wohnprojekt turnOn begeisterte nicht nur in der Zeichnung, sondern vor allem durch ihr 1:1-Modell.
Nulldistanz Mikroarchitektur nähert sich den Spielregeln des Produktdesigns an. Da Nutzer und Objekte annähernd die gleiche Größe haben können, findet eine Begegnung auf Augenhöhe statt. Das hat Folgen: Intensiver zu berücksichtigen ist die Bewegung des Nutzers und sein Verhältnis zum Objekt während der Verwendung. Gerade mobile Projekte erfordern, dass der Planer Vorstellungen von Situationen entwickelt und mögliche sowie zu erwartende Handlungen mit einkalkuliert. Er ist aufgefordert, über die Funktion des Raums während einer Zeitspanne nachzudenken sowie Szenen zu beschreiben und Abläufe zu schildern. Es geht letztendlich um das Verhalten im Raum und um soziale Aktionen. Das sollte sich auch im Arbeits- und Vermittlungsinstrument des Architekten, der Zeichnung, niederschlagen. Diese muss den Menschen nicht nur als Staffage, sondern als Beleg und Beweis einer differenzierten Funktion einbauen, da Größe und die Nähe zum Nutzer vorhandene Schwächen und Fehler direkt offen-baren. Gibt es durch mobile Elemente ein Vorher und Nach-her, muss sich dies auch in der Zeichnung wiederfinden. Ein Plan zeigt, wie ernsthaft die Option einer Wandelbarkeit gemeint ist und ob der Mensch und sein Maßstab die Grundlage bilden„,