move 2, mobile immobilien: Forschungsarbeit zum Thema Nutzungsverdichtung
Kennzeichen unserer Überflussgesellschaft ist das Mehr. XL bedeutet mehr fürs Geld, man könnte ja zu kurz kommen: sicherheitshalber großzügig denken, nicht dass man zum Schluss doch zu wenig hat bestimmt unser Handeln.
Die Autoindustrie lebt überwiegend von diesem Luxusprinzip - SUV sind die Wachstumsgaranten und Erfolgsmodelle der Autobranche. Der Wunsch der Nutzer nach größeren Autos bedeutet jedoch nicht mehr Nutzung oder bessere Autos.
Vergleicht man z.B. die Ladefläche, hat der Porsche Cayenne bei umgeklappter Rücksitzbank 1780 Liter Ladevolumen, der Twingo 890 Liter. Der Preis eines Porsche Cayenne fängt je nach Modell bei 65.427 $ an, der des Twingos bei 9.690 $. Der Preis des Porsche Cayenne ist 6,75 mal höher als der des Twingo. Von der Nutzung aus betrachtet müsste man vom Porsche Cayenne das 6,75 fache der Ladefläche erwarten- 6007,5 Liter oder zumindest ein räumliches Wunderwerk.
Unverständlicher Weise wird die Größe des Innenraums jedoch nur als monumentaler Hintergrund für die repräsentative Form gesehen und nicht als Möglichkeit den Volumenvorteil für unterschiedliche Raumszenen zu nutzen. Diese gibt es gar nicht oder sind völlig unterentwickelt. Geht man auf die Webseite von Porsche, besteht die Wahl in erster Linie in Ausstattungsvarianten verschiedener hochwertiger Oberflächen. Der Raum wird von den Materialen her definiert, nicht von der Chance die Größe als Ausgangspunkt für einen innovativen Raum zu sehen. Die einzige Wahl besteht darin die hinteren Sitze umzulegen. Ein Armutszeugnis des Industrial Designs! Denn durch die Größe wäre der Porsche Cayenne eigentlich geradezu prädestiniert unterschiedliche Sitzausrichtungen und Wohnsituationen zu ermöglichen. Statt dessen erleben wir eine seit den Anfängen des Autos klassische Raumsituation: 2 Sitzreihen nach vorne ausgerichtet, das war es. Innovativ geht anders.
Da alle Autohersteller mittlerweile im SUV-Bereich Modelle anbieten, erwarten anscheinend ein Großteil der Kunden nicht mehr Nutzung oder eine differenzierte Nutzung. Ihnen ist es schlicht egal ob das 6,75 fache ihrer Investition statt in einem Möglichkeitsraum in der Repräsentation verschwindet. Jedem wird klar: Darum geht es gar nicht - Ansprüche werden keine gestellt und auf die Möglichkeiten des Industrial Designs wird komplett verzichtet. Ist der Vergleich zwischen Porsche Cayenne und Twingo erst einmal absurd und sicher auch polemisch, zeigt er ja jedoch ein Entwurfsprinzip der räumlichen Verschwendung. Hier werden offensichtlich Wünsche einer solventen Klientel abgebildet welche nicht mehr für ihr Geld will, sondern mit einem einfach gestrickten Statusobjekt abgespeist wird. Luxus in dieser Form führt selten zur Innovation. Der Einstieg in intelligentes Design findet eher durch Fragestellungen statt, deren Ausgangspunkt ein Problem oder der Mangel ist.
Der Twingo bietet auf geringer Fläche unterschiedliche Raumsituationen an, die auf unterschiedliche Nutzungen und Lebenssituationen abzielen. Im minimalen Volumen sollen 5 Personen befördert werden, und auch ein Billy-Reagl nach einem Ikeabesuch mitgenommen werden. 1993 wurde der Twingo 1 in der Pariser Metro dadurch beworben, dass man in ihm sogar bei Wochenendausflügen übernachten konnte. Der Twingo ist ein Hybrid zwischen unterschiedlichen Fahrzeugarten. Als Kleinwagen und Minivan bot er bei seiner Einführung völlig neue Raumkonzepte auf geringem Raum und auch sein Preis war populär.
An kleinen Autos experimentieren die Autohersteller offensichtlich mehr und mit größerer Freude. Hier werden neue Raumkonzepte und Möglichkeiten umgesetzt. Der Typus des Minivan steht für das Prinzip eines ressourcenschonenden Umgangs der Gestaltung und für Gespür von authentischen Lebensformen. Er bietet Mehrdeutigkeit und Vielfalt statt Reduktion, auch weil er gängige Automobiltypen durch Hybridisierung aufweicht. Die aktuelle Herausforderung ist das Mehr im Weniger. Das Gegenteil kann jeder.
S statt XXL
S scheint erst einmal wenig. XXL ist mehr und damit ist auch ein mehr an Chancen verbunden. Für den Architekten ist klein eher ein Makel. Große Projekte sind für den Gestalter neben der Honorierung meist auch ein Prestigegewinn und bedeuten neue technische und gestalterische Dimensionen. Daher scheinen wachsende oder große Büros ab einem bestimmten Punkt wenig bereit, Projekte kleinerer Dimension zu bearbeiten. Jedoch verringern sich mit zunehmender Größe des Projektes die innovativen Chancen, da die Zwänge steigen und auch die Auftraggeber konservativer sind. Mikroarchitektur bedeutet entwerfen in kontrollierter Dimension, in der die Prämissen überschaubar sind und daher ein experimenteller Umgang einfacher möglich ist. Das entsprechende Budget bedeutet auch weniger finanziellen Einsatz und Risiko. Planerisch ist der Gestalter näher dran am Projekt. Die Dimension fordert auf, Prototypen neuer Möglichkeiten im Raum zu entwickeln. Das Verhältnis zum Nutzer ist im menschlichen Größenverhältnis und die wahrscheinliche Nutzung ist eher abzuschätzen, da der planerische Prozeß automatische auf Augenhöhe zum menschlichen Maßstab stattfindet. S bietet die Chance Nulldistanzräume zu schaffen, in denen sich der Nutzer mit der Architektur in Kommunikation befindet und diese seinen Ansprüchen gemäß verändern kann.
Statt monumentales Denken in der Gestaltung bedeutet S neben Gestalt vor allem Nutzung über die Zeit zu gestalten und insofern stellt sich Gestalt ständig in Frage - was jegliche Monumentalisierng bzw. das Cayenneprinzip natürlich ausschließt. Nicht ein Objekt das größer als der Mensch ist, oder ein Medium von dem sich der Nutzer persönliche Monumentalisierung verspricht steht im Mittelpunkt, sondern allein die Interaktion der Nutzung.
Der 2. Gedanke in Bezug zur Dimensionen ist der Einsparungsgedanke. Wer eher klein baut als größer spart ein. Dabei ist der entscheidende Punkt der Einsparung nicht das Weglassen, sondern die Prämisse des Effizienzgedankens. Die Möglichkeiten bleiben gleich und die Nutzung wird auf kleinerer Fläche nicht eingeschränkt. Bei schrumpfendem Raum wird weder der Komfort noch die Nutzung und vor allem nicht die Befindlichkeit im Raum verkleinert.
Ressourcenverwaltung
Das Zukunftsmodell der Gestaltung entwickelt sich vor dem Hintergrund einer intelligenten Ressourcenverwaltung. Dagegen steht ein gesellschaftlicher Trend der Ausdehnung des Raumes.
Was ist der Hintergrund? Die Architektur unterliegt wie alle Bereiche der Gestaltung einem extremen eng getakteten Innovations- und Evolutionsdruck. Damit verbunden ist eine permanente Aufgliederungs- und Vervielfältigungstendenz, in deren Folge Zusammenhänge aufgehoben und neu bzw. genauer definiert werden. Das bedeutet für den Raum immer mehr Möglichkeiten. Üblicherweise kann eine Programmerweiterung nur durch mehr Flächen erreicht werden - ich nenne dass Erweiterung nach Außen.
Um diesem entgegenzuwirken gibt es unterschiedliche Strategien. Klassisch ist das Optimierungsmodell der Planung. Um Flächen einzusparen, streicht man scheinbar überflüssige Programmpunkte und fokussiert die Planung auf die wesentlichen Anforderungen. Durch den Reduktionsprozess stellt dieses Planungsmodell jedoch letztendlich eine Angebotsverknappung her. Im „entweder oder“ bleibt ein Teil der Möglichkeiten auf der Strecke.
Es geht jedoch nicht um Minimalisierung der Möglichkeiten sondern um ihre Erweiterung. Daneben spielt Authentizität eine Rolle und die Berücksichtigung aktueller Innovationen. Wenn die Ausdehnung in den Raum, die natürlicherweise auch ein mehr an Material bedeutet, einem ressourcenschonenden Denken widerspricht, bleibt nur die Verdichtung als Modell. Ein wandelbarer oder mobiler Raum mit seiner „sowohl als auch“ Strategie stellt ein Maximum an räumlicher Nutzung und Qualität zur Verfügung und bedeutet paradoxerweise durch die Nutzungsverdichtung weniger Raum.
Um eine Nutzungsverdichtung zu erreichen ist eine genaue Kenntnis und Analyse von Funktionen und deren Abläufen in Bezug auf die Menschen im zukünftigen Gebäude notwendig. Im zweiten Schritt geht es darum räumliche Schnittmengen der Nutzungen und Einsparpotentiale auszuloten. Können sich zeitlich ablösende Funktionen nicht räumlich überlagern? Wie stark kann ich den Bau funktional verdichten und dadurch Raum einsparen?
Mobilität ist insofern kein formaler Ansatz, sondern ein rein pragmatischer Umgang mit der Fläche. Mobilität ermöglicht eine Ausdehnung des Programms in die umgekehrte Richtung - nach Innen. Letztendlich kämpft mobile Architektur gegen die dem heutigen Planungsprozess eigene Ausdehnung des Raumes.
Architektonische Mobilität ermöglicht eine erneute Verbindung der im Differenzierungsprozess voneinander getrennten Funktionen ohne ihre jeweiligen Eigenschaften und Vorteile aufzulösen und ohne zwangsläufig mehr Fläche in Anspruch zu nehmen. Sie ist eine Klammer, in der unterschiedliche sogar widersprüchliche Funktionen nebeneinander existieren können. Darüber hinaus ist sie eine andere Strategie, dem Zwang einer permanenten Differenzierung aller Bereiche und Teile gerecht zu werden.
Der Gedanke der Mobilität oder die Wandelbarkeit in der Gestaltung fokussiert sich wenn er Ernst genommen wird auch immer auf einen flächen- und ressourcenschonenden Umgang mit dem vorhandenen Raum. Wobei die Miniaturisierung des Raumes dann eine Kunst ist, wenn sie nicht zur Minimalisierung der Möglichkeiten führt. Auf Vielfalt und komplexe, authentische Ansprüche - seien sie auch mehrdeutig oder sogar widersprüchlich - soll nicht verzichtet werden.
Situation und Volumen
Wandelbare Architektur ist immer auf ein Nutzungsbild und sich ändernde Situationen bezogen. Dieser Zeitraum kann kurz oder lang sein, sich in Zyklen regelmäßig oder unregelmäßig wiederholen.
Der Architekt entwirft nicht nur den Raum sondern der Raumentwurf ergibt sich aus der Analyse einer möglichen Nutzung. Wobei die Analyse der Situationen und der sich daraus ergebene Entwurf auch spekulativ ist und man eher von wahrscheinlichen als von sicheren Situationen sprechen muss.
Daher sollte die Situationsplanung nicht nur ins Kleinste vorgeschriebene Räume und Situationen fixieren, sondern auch Variablen und Freiräume für den Nutzer erhalten.
Die Situationisten der 1960er Jahre sahen gerade im Zufall und im Missbrauch einer geplanten Situation die Qualität einer menschlichen Gestaltung. Im Begriff der Situationisten des „La dérive“ wird das Gegenmodell zur vollständigen Beplanbarkeit der Moderne kultiviert - Neugier und das Entdecken in der Situation bereichert das Leben mehr als architektonisch festgelegte Regeln und ein diktatorischer Raumentwurf ohne Aneignungsmöglichkeiten.
Auf welchem Planungsmodell beruht wandelbare Architektur? Zuerst analysiert die Planung die Beziehung der räumlichen Nutzungen und versucht die Interaktion zwischen Objekt und Bewegungs –bzw. Zugangsfläche im Raum möglichst realistisch und zukunftsgetreu zu organisieren. Notwendigerweise kann das nur aus der Perspektive des Menschen geschehen, der sich im Raum aufhält und sich im Tagesablauf durch die möglichen und für ihn nötigen Nutzungen bewegt. Es gibt insofern ein Beziehungsviereck zwischen Mensch, Objekt, Raum und Zugangsfläche. Ein Objekt kann ein Möbel oder auch ein technisches Objekt sein z.B. eine Küche, ein Bad etc.. Ein Raum ist neutral und bringt die nötige Fläche mit ein.
Die in diesem Viereck vorhandenen Akteure haben ihren eigenen unterschiedlichen Raumbedarf. Dabei wird immer von der Maximalfläche ausgegangen. Der maximale Raumanspruch existiert während der Nutzung durch den Mensch, weil zur notwendigen Raum- und Objektfläche die Bewegungs -und Zugangsflächen dazukommen.
Im mobilen Modell besitzen zunächst nur die Objektfläche und der neutrale Raum einen konkreten Raumbedarf. Die Bewegungs -und Zugangsflächen sind zusätzlich zu denken und können wiederum wegfallen, wenn das Objekt nicht genutzt wird. Nur in der Nutzung sind Bewegungs -und Zugangsflächen notwendig.
Das Ziel der mobilen Architektur ist diesen Unterschied zu nutzen, um der Nutzung die nötigen Flächen je nach Bedarf zuzuführen und dem übrigen Raum zu entziehen.
Entscheidend ist, dass die genutzten Räume nur aufgrund von abgerufenen Situationen eine Volumenanpassung erfahren da alle Komponenten des Beziehungsviereck beteiligt sind. Die Bewegungs -und Zugangsflächen entfallen bei Nichtgebrauch wieder.
Die Methode der Volumenanpassung wird in der Rollregalanlage exemplarisch deutlich: Bewegungs -und Zugangsflächen entstehen temporär nur dort, wo sie gebraucht werden.
Nutzungsverdichtung und Struktur
Die Frage ist, woraus setzt sich die nötige Gesamtfläche zur Nutzung zusammen, und wie funktioniert strukturell die Nutzungsverdichtung in einem wandelbaren oder mobilen Modell?
Der Gebrauch in einem nutzungsverdichteten Raum organisiert sich im dualen Verhältnis von zwei Bereichen: Zone und neutralem Raum.
In den meisten Fällen findet eine lagerartige Vorhaltung von spezifischen Nutzungen in einer Zone statt. Dabei werden diese in einer Art Servicefläche zusammengefasst und strukturell mit einem neutralennRaum gekoppelt. Die Nutzungsbündelung in dernZone erfolgt auf minimierter Fläche, da die nötigennErschließungsflächen für die einzelnen Nutzungen eingespart werden. Diese liegen außerhalb im neutralen Raum. Je mehr Funktionen zusammengelegt werden, desto mehr Zugangsfläche wird eingespart. Louis Kahn hat das den Bezug zwischen „dienendem und bedientem Raum genannt.“
Im Gebrauch werden die Bewegungs -und Zugangsflächen in den meisten Fällen dem neutralen Raum entzogen und dem Objekt oder der Nutzungszone zugeführt. Was die Mobilität anbelangt, können Bewegungs -und Zugangsflächen mobil sein und sich dem Raum zuwenden, oder der Raum und die Objektfläche kommen in Bewegung und die Bewegungs -und Zugangsflächen sind ortsfest.
Die gewünschte Nutzung kann zeitgenau und nutzungsorientiert vom Nutzer aus der komprimierten Lagermasse gelöst und dem allgemeinen Raum zugeordnet werden. Während des Gebrauchs einer spezifischen Nutzung definiert sich der vormals neutrale allgemeine Raum zu einem spezifischen Raum um. Durch die Rückverlagerung der spezifischen Nutzungen nach Gebrauch in die Servicefläche und Austausch durch eine andere nimmt der neutrale Raum im Wechsel immer andere Nutzungen an. Es ist eine Beziehung von Vorder- und Hintergrund, wobei der neutrale Raum mit seiner kontinuierlichen räumlichen Präsenz, der in erster Linie wahrgenommene ist.
Beweglichkeit des Systems steuert die sich ablösende Nutzungen auf kleinem Raum und führt zur Raumersparnis. Sie komprimiert die Vielfalt der Funktionen auf einem begrenzten Raum und führt zur Beibehaltung des Programms auf kleiner Fläche oder sogar zur Ausdehnung eines differenzierten Angebots auf gleicher Fläche.
Die Flächeneinsparung durch Verdichtung können der Flächenerweiterung des neutralen Raumes zugute kommen oder führen zu einer grundsätzlichen Einsparung der Gesamtfläche. In beiden Fällen findet eine Erweiterung nach innen statt.
Organisatorische Nutzungsverdichtung
Neben der Nutzungsverdichtung durch eine intelligente räumliche Planung ist die Nutzungsverdichtung durch Organisation eine weitere Variante der Ressourcenschonung.
Dabei geht es nicht um die Verkleinerung des Raumes. Hier geht es um Verdichtung der zeitlichen Nutzung durch eine Gebäude- oder Raummanagementsoftware, welche die Nutzung im Gebäude organisiert und jeweiligen Nutzern zuteilt.
In der Architektur dienen diese Angebote zur Vermeidung von Leerstand. Hierbei wird die Taktung der Nutzung von Räumen durch eine Verwaltungssoftware verkleinert. Maximalziel ist eine permanente ununterbrochene Nutzung. Hieraus ergeben sich möglicherweise Raumeinsparungen, da die Verdichtung der Nutzung innerhalb eines Raumes einen weiteren Raum gleicher Nutzung überflüssig macht.
Im Non Territorial Office taucht dieser Gedanke in den 1980er Jahren zum ersten Mal auf. Prämisse ist die Tatsache, dass der Raumbedarf sich nicht nach dem Personalstand bemisst. Nicht unbedingt für alle muss ein Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt werden, da immer ein Teil der Belegschaft durch Krankheit, Urlaub oder Außentermine keinen Arbeitsplatz braucht. Da diese Situation permanent eine prozentual gleichbleibendes Verhältnis von anwesenden und abwesenden ergibt, kann auf einen Teil von baulichen Arbeitsplätzen verzichtet werden. Der Gedanke ist nur so viel Raum zur Verfügung zu stellen wie effektiv genutzt wird.
So sind Flächeneinsparungen von bis zu 60% bei den Büroräumen möglich. Diese werden allerdings wieder durch einen erhöhten Bedarf an Kommunikationsflächen reduziert, da keinem Mitarbeiter ein persönlicher Arbeitsplatz zur Verfügung steht und Kommunikation feste Orte braucht. Die von allen beteiligten Mitarbeitern genutzten auch mit unterschiedlichen Raumatmosphären ausgestatteten Kommunikationsbereiche tragen jedoch wesentlich zur Qualitätssteigerung der ganzen Architektur bei.
Ein weiteres Beispiel wie die Nutzungstaktung des Raumes anhand von Software verdichtet werden kann, ist Airbnb. Hier werden Wohnungen während der Abwesenheit der Nutzer an Touristen fremdvermietet. Auch eine temporäre Abwesenheit von Einzelnutzern innerhalb einer Wohnung (z.B. den Kindern) lassen sich so durch Teilvermietungen, falls der Grundriss das zulässt, organisieren. Wohnungen oder Wohnungteile werden so dauergenutzt. Die aufzubringenden monatlichen Kosten des Eigentümers werden auf seine tatsächliche Nutzung reduziert. Der Rest wird erwirtschaftet.
Auch Uber ist bei allen rechtlichen Problemen eine Effizienzstruktur und trägt zu einer Nutzungsverdichtung bei, wenn das Auto je nach Situation vom Privatwagen zum Taxi mutiert. Wenn sich die Zahl der Autos so auch nicht entscheidend reduzieren lässt, so ist der Trend intelligenter Ressourcen zu nutzen jedoch sichtbar und führt zu Kosteneinsparungen. Nutzungsverdichtung ist ein authentisches Phänomen.
monocoque
Ein Projekt von Eichinger Offices aus Wien zeigt beispielhaft die Möglichkeiten einer Nutzungsverdichtung auf reduzierter Fläche auf. Das Miniapartment unter dem Dach eines Wiener Wohnhauses fasst auf kleinem Raum zusammen, was nötig ist.
Mehrfachbelegungen der Flächen durch unterschiedliche Nutzungen ermöglichen durch ein mobiles Wechselspiel eine differenzierte Nutzung. Die Wohnung verfügt zunächst über einen offenen Grundriss, der jedoch durch wandelbare Objekte, Türen und Textilien in mehrere Bereiche gegliedert werden kann.
Dieses Prinzip wird zugleich zur Nutzungsverdichtung und Einsparung von Raum genutzt. In der ausgeklügelten Erschließungssituation des Bads und des WC wird deutlich, wie die funktionelle Mehrfachbelegung Flächen spart.
Vom Flur und Eingang der Wohnung zweigt man links in das Bad ab. Zunächst ist die Beziehung zwischen Flur und Bad offen. Die Nutzung des WC´s in einem Schrank ist jedoch nur möglich, wenn man seine beiden Türen in den Erschließungsraum des Bads öffnet und dessen Fläche nutzt. Ansonsten bietet das WC durch die kompriemierte Situation keine Aufenthaltsmöglichekeit. Das Wechselspiel von Durchgang und Schranktür des WC´s ist nutzungsorientiert und optimiert perfekt das Flächenmanagement im begrenzten Raum.
Auch die subtile Gestaltung erweitert die Nutzungsmöglichkeiten. Die Doppeltür des WC´s ist ebenso mehrdeutig auf die Nutzung ausgerichtet. Der unpolierte Flügel versperrt den Raum zum Flur, während der polierte Flügel der beiden Edelstahltüren dem Bad geöffnet oder geschlossen als Spiegel dient.
“alles was fehlt …”
In einem denkmalgeschützen 50er Jahre Haus, dessen Etagen bis an ihre Grenzen genutzt sind, stellt das nicht ausgebaute Dach ein Art Möglichkeitsraum und Projektionsfläche zur Unterbringung von Defiziten dar. Die Ansprüche und Funktionen sind vielfältig und unterschiedlich. Gewünscht ist ein heterogener Mix von Elternschlafzimmer, Stau-, Lager- und Ankleidefläche, einem WC und einer im Haus bisher nicht vorhandenen Badewanne. Um dem drohenden gestalterischen Chaos entgegenzuwirken, ist ein Entwurf mit klaren räumlichen Differenzierungen und folglich mit mehreren kleinen Räumen zu erwarten. Im Gegensatz zu den beiden kleinteilig differenzierten Wohnebenen ist das niedrige Dachgeschoß jedoch die einzige großflächige Ebene. Die Qualität der zusammenhängenden Fläche soll nicht aufgegeben und dennoch das Ziel, die gesamten funktionalen Defizite im Dachgeschoss unterzubringen, erreicht werden. Die große Fläche ist mehrdeutig und somit bewusst unscharf gehalten. In ihrer Gestalt soll sie trotzdem einen signifikanten Raum ergeben
Konzept. Der Raum wird in eine große Fläche und in eine Zone auf einer Wandseite unterteilt, die den großen Teil der gewünschten Funktionen beherbergt. Zwischen beiden raumprägenden Bereichen wird eine interaktive Beziehung durch 2 mobile Trennwände hergestellt. Der wesentliche Aspekt dieser Organisation ist die Verdichtung des Raumes durch eine Vielfalt der Nutzungen bei gleichzeitiger Einsparung der Erschließungsfläche für diese Nutzungen.
Die zonierten Funktionen werden dem Gesamtraum lagermäßig vorgehalten. Erst im Prozess der räumlichen Verlagerung der jeweiligen Trennwände in den Gesamtraum erhalten die dahinterliegenden Funktionen die nötige Erschließungsfläche zu ihrer Nutzung. Die eingesparten Erschließungsflächen für jede Nutzung kommen bei Nichtgebrauch der allgemeinen Fläche zugute. Dieser kann verkleinert oder durch die räumliche Reversibilität auch wieder zum großen Raum werden.
Die Disposition der großen Fläche wird zunächst offen gehalten und verändert sich anspruchsgebunden durch die Partizipation des Nutzers, der die Trennwände in Bewegung bringt und somit den Gesamtraum funktional spezifiziert. Der zunächst als Schlafzimmer genutzte neutrale Raum wird je nach Lage der Trennwände neu definiert und zum Raum einer gewünschten Funktion.
Die Trennwände sind auch verhandelbare Grenze, die sich zuungunsten oder zugunsten der einen oder anderen Seite ausdehnen und wieder zusammenziehen kann. Dabei kann der Raum jenseits der Trennwände bei Bedarf als Staufläche definiert werden und somit die Räume im Haus entlasten. Zudem ist das ganze Funktional offen für Anpassungen in der Zukunft, da die Trennwände als Behälter gestaltet sind und bestehende Funktionen zugunsten von anderen aktuelleren austauschbar sind.
Die Bewegung der Trennwände verändert auch Wahrnehmung und Gestalt des Raumes. Das Licht wird durch die jeweilige Position der Trennwände modelliert, da diese durch eine oberseitige Öffnung auf die Dachflächenfenster bezogen sind. Die Trennwände sind im Inneren farblich gefasst und besitzen eigene nutzungsbedingte Materialien. Die Differenzierung der Funktionsräume nach Farbe, Licht und Materialität schaffen je nach Funktion und Gebrauch im den neutralen Raum eigene Raumatmosphären und verhindert so eine rein technisch organisatorische Wirkung des Raumes.
social_indicator
Ausgangspunkt. Der Umbau eines 1950er Jahre Haus entkernt die kleinteiligen Ordnung und schafft einen großen zusammenhängenden Bereich von Küche, Essen und Wohnen. Der neue Raum bildet den Hintergrund für ein authentisches Wohnen.
Konzept Ein aus dem Volumen der Küche ausziehbarer, 6 m langer Esstisch reagiert auf den sich ständig ändernden Platzbedarf durch andere Personenzahlen. Er ist der zentrale Indikator der sozialen Aktivität im Raum. An ihm können je nach Anlass bis zu 23 Personen Platz nehmen. Durch seine Verlängerung bis auf die Terrasse löst er in seiner Maximalgröße die Trennung zwischen Innen- und Außenraum auf.
Der Esstisch visualisiert die Interaktion und das Zusammenspiel zwischen den Nutzungen von Kochen, Essen und Wohnen. Während der Kochbereich aufgrund der Dichte der technischen Einrichtung konstant bleibt, werden die Flächen von Essen und Wohnen je nach Intensität der Nutzung immer wieder neu verhandelt.
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Ausgangspunkt. Moving Icon ist ein mobiler Infopavillon, der an verschiedenen historischen Orten in der Region Westfalen eingesetzt wird. Das Bild der populären Ikone des Bauens von 4 Wänden und einem Dach ist der Ausgangspunkt für einen wandelbaren Raum, der mit Hilfe verschiedener analoger und digitaler Medien über historische Städte und ihre Architektur informiert.
Konzept. Wird der Anhänger aufgestellt und seine Hülle nach oben gefahren, verdoppelt sich sein nutzbares Volumen und seine Hülle wird zum vertikalen Zeichen in der Menge der übrigen Pavillons. Den beiden Situationen Anhänger in Fahrt und Infopavillon in Nutzung wird der jeweilig nötige Raum zur Verfügung gestellt. In Fahrt wird der mobile Raum auf das rechtliche bindende Volumen komprimiert. In Nutzung wird das Volumen automatisch um die Bewegungs –bzw. Zugangsfläche aufgeweitet.
Medieninstallation. Nachts wird die Hülle mit Hilfe von Beamern zum Leuchtkörper und Bildschirm. Die Medieninstallation ist schriftbasiert und dynamisch. Sie informiert über Fakten und Entwicklungen in der Region. Im Innern des barrierefrei zugänglichen Pavillons hat der Besucher die Möglichkeit sich vertiefend an Bild¬schirmen zu informieren. Die Rückwand ist als interaktive Pinnwand gestaltet, auf der die Besucher ihre Ge¬danken aufschreiben oder auch Informationen erhalten und mitnehmen können. Im Gegensatz zur digitalen Oberfläche der Medienhaut findet der informative Austausch hier anwendungsfreundlich mit Hilfe von klas¬sischen Druckerzeugnissen statt. Diese können mit Druckern oder Fotokopierern hergestellt und jeweilg an¬gepasst werden.
Nachwort
Move aus dem Jahr 2008 war der erste Band, der sich mit mobilen und wandelbaren Räumen in meinem Lehrgebiet beschäftigte. Zwischen Move 1 und Move 2 liegen mehr als 7 Jahren. Seitdem sind in meinem Lehrgebiet wieder viele Studentenentwürfe entstanden, die sich mit dem Thema wandelbar oder mobiler Räume und Installationen auseinandergesetzt haben. Ebenso habe ich eine Vielzahl von theoretischen Texten geschrieben und mobile Projekte geplant.
Die Auseinandersetzung mit den studentischen Arbeiten hat die meine künstlerische Arbeit angeregt und kontinuierlich motiviert. Ebenso sind die vielen Erfahrungen aus meiner experimentellen Arbeit in die Hochschule und Vorlesungen rückgeflossen und haben die studentischen Entwurfe inspiriert.
Das vorliegende Buch ist Ergebnis einer am Lehrgebiet Architekturtheorie der HS Mainz im SS 15 entstandenen Forschungsarbeit über Nutzungsverdichtung und beleuchtet einen weiteren Aspekt der mobilen Gestaltung. Als Einstieg in die Arbeit diente ein gehaltener Vortrag im SS 15 an der Akademie Stuttgart zum Thema der Nutzungsverdichtung.
Move 2 ordnet, ergänzt und erweitert die in den letzten Jahren entstandenen Gedanken, Vorlesungen und Vorträge zum Thema der Nutzungsverdichtung.