Alt und Neu. Das historische Gebäude von Fritz Schumacher ist Ausgangspunkt und Referenz für die Gestaltung des Neuen. Die formalen Positionen des Neubaus, wie Proportion, Ordnung, Fassade und Dachkante, begründen sich aus der Gestalt und den Details des Altbaus. Sie werden weiterentwickelt und zeitgemäß interpretiert. Das Ziel ist, ein neues authentisches Gebäude zu bauen, dessen selbstbewusste Gesten jedoch immer im Dialog mit dem Bestand stehen.
Eine Hochschule. Alle Räume und Bereiche der Hochschule sind Teil des Ganzen. Der räumliche und organisatorische Zusammenhang von Ateliers, Werkstätten, Verwaltung, Aula und Mensa soll nicht zerschnitten werden. Anstatt einer Zweiteilung bietet der Entwurf ein funktionales Raumkontinuum vom einem zum anderen Ende an. Während die Galerie und indirekt die Atelier-Ebenen im Erdgeschoss zusätzlich aus dem Stadtraum erschlossen werden, sollen die Ateliers Teil des Gesamtorganismus der Hochschule für bildende Künste sein. Sie werden unmittelbar an den Bestand angebunden und sind aus allen Etagen des Altbaus direkt zu erreichen. Eine sensible Überleitung garantiert die Einheit aller Teile und erleichtert den Alltag im Gebäude. Dabei ist die Verbindung nicht nur einseitig in Richtung Altbau gedacht. Die Integration von besonderen, im Altbau nicht vorhandenen Nutzungen in den Neubau stellen auch aus Sicht des Altbaus gemeinschaftliche und attraktive Ziele dar, die schnell erreicht werden wollen. Es handelt sich dabei um Aufenthaltsbereiche in den Fluren und die Außengalerie auf dem Dach.
Verbindungsbau. Der Verbindungsbau, der den Neubau an das Treppenhaus des historischen Gebäudes anbindet, erschließt den Altbau funktional. Statisch ist der von den Decken des Neubaus abgehangen und lagert somit nicht auf den Altbauwänden auf. Der direkte Übergang wird durch das große Treppenhausfenster in den Treppenraum geführt, ohne den Bestand konstruktiv oder baulich zu überformen. Zwei unabhängige Systeme werden nahezu berührungslos verbunden. Alt und Neu werden mithilfe einer schmalen Fuge aus Glas erkennbar getrennt und sind entsprechend der Charta von Venedig visuell und faktisch wieder lösbar. Die Anbindung des Neubaus an den Altbau ermöglicht eine flächen- und kostensparende gemeinsame Nutzung bereits vorhandener Funktionen, die in einem Zug mit saniert werden können. Der Neubau nutzt die naheliegenden Funktionen konsequent. Das vorhandene Bestandstreppenhaus wird zum 2. Fluchtweg des Neubaus. Die Toiletten des Altbaus werden mitgenutzt. Behinderten-WCs werden im Neubau eingeplant. Die Fläche des Neubaus wird durch die Anbindung an den Bestand zugunsten der Ateliers vergrößert. Durch den Wegfall eines Fluchttreppenhauses und einiger WC-Anlagen rechnet sich der Verbindungsbau kostenneutral.
Fassade. Die Ziegelfassade, ausdrucksstarke Hülle des Altbaus, wird selbstverständlich im Neubau fortgeführt. Bei näherer Betrachtung verfügt die Altbau-Ziegelfassade über keine einheitliche Farbigkeit. An der Vielzahl unterschiedlicher Farben lassen sich die Brüche in seiner Biografie durch Kriegsschäden und den Um- und Anbauten ablesen. Die neue Fassade will diese Brüche nicht nivellieren, sondern akzeptiert diese nach denkmalpflegerischer Lesart als historische Realität und Ausgangspunkt moderner Gestaltungsprinzipien. Während der Farbgrundton bewusst von Altbau zu Neubau fließt und diesen visuell prägt, werden die abweichenden Ziegelfarbwerte der Altbau-Ergänzungen und Reparaturen eingesetzt, um moderne Referenzbilder zum Altbau herzustellen. Das großflächige, in die neue Fassade eingewobene Muster ist einem Schumacher-Ornament der Altbaufassade entnommen und wurde mittels parametrischer Methoden weiterentwickelt. Das skalierte und abstrahierte Muster entsteht durch die Übernahme der vielen unterschiedlichen Ziegelfarben des Bestands, auf welche das neue Pattern zurückgreift. Es wird als Band um das neue Gebäude gelegt und erhält durch die Ecksymmetrie eine besondere Dramatik. Je nach Sichtweise steht das Muster für sich selbst oder unzweifelhaft für seine Referenz. Auch an anderer Stelle, außen wie innen, ist es denkbar, Ornamente des Altbaus parametrisch weiterzuentwickeln und entwurflich zu nutzen.
Außengalerie Dach. Die Dachebene ist gestalterisch eine Art moderner Zwilling und denkmalpflegerische Referenz an den gegenüberliegenden Dachaufbau des Altbaus. Es wiederholt jedoch das vorhandene Thema formal offener, ohne ein Dach oder einen konkreten Raum ausbilden zu müssen. Das neue Dach ist die Außenraum-Alternative zur Galerie im Erdgeschoss und weist gewisse Parallelen auf. Die Hochschule und die Studierenden erhalten auf dem Dach einen Möglichkeitsraum, der die Chance auf selbstbestimmte Nutzung und entsprechende Anpassung im Außenraum bietet. Wird den Studenten durch den Neubau das ihr in Eigeninitiative entstandene Gebäude auf dem Terrain entzogen, erhalten sie im Gegenzug einen formal und funktional definierbaren Raum zur Aneignung auf dem Dach. Diese frei bespielbare Plattform liegt zurückgesetzt hinter der vorderen Stützenreihe, welche die städtebauliche Silhouette prägt. Die inneren Stützen der Plattform sind Metaphern für einen vielfältigen Gebrauch. Sie sind versetzbar und entsprechend unterschiedlicher Anschluss- und Einsatzmöglichkeiten ausdetailliert.